Nächtlicher Harndrang oder Nykturie – was ist das?
Mediziner sprechen von einem nächtlichen Harndrang oder einer Nykturie, wenn ein Mensch den nächtlichen Schlaf mindestens zweimal pro Nacht zum Wasserlassen unterbrechen muss. Natürlich ist die Häufigkeit von der Trinkmenge abhängig, die der Mensch vor dem Schlafengehen zu sich genommen hat. Hat er jedoch keine übermäßig großen Mengen getrunken und muss trotzdem mindestens zweimal pro Nacht zur Toilette, kann es eine Nykturie sein. Es handelt sich hierbei allerdings nicht um ein eigenes Krankheitsbild, sondern die Nykturie ist immer ein Symptom einer anderen Krankheit oder Störung.
Nächtlicher Harndrang – Häufigkeit
Nykturie kommt bei jüngeren Menschen eher selten vor, im fortgeschrittenen Lebensalter dagegen recht häufig, wobei Frauen und Männer in der Regel gleichermaßen betroffen sind. Etwa jeder Fünfte bis Sechste ist in der Altersgruppe der 20- bis 45-Jährigen betroffen, laut einer dänischen Studie sollen es in der Gruppe der über 60-Jährigen bereits 77 Prozent sein. Trotzdem ist die Nykturie mehr als nur eine unangenehme Alterserscheinung.
Nächtlicher Harndrang – Ursachen
Das Phänomen des nächtlichen Harndrangs kann den Schlaf stören und zu Müdigkeit, verminderter Lebensqualität und anderen negativen Auswirkungen führen. Die Ursachen von Nykturie können vielfältig sein und von natürlichen Alterungsprozessen bis hin zu zugrunde liegenden medizinischen Zuständen reichen. Das Verständnis dieser Ursachen ist wichtig, um angemessene Behandlungsansätze zu entwickeln und das allgemeine Wohlbefinden der Betroffenen zu verbessern.
Mögliche Ursachen des nächtlichen Harndrangs sind
- Blasenentzündung
- Diabetes mellitus
- Vergrößerte Prostata
- Überaktivität der Blase
- Reduzierte Blasenkapazität
- Hormonstörung
- Gestörte Nierenfunktion
- Erhöhte Urinproduktion (Polyurie) durch Herzschwäche (Herzinsuffizienz)
Blasenentzündung als Ursache nächtlichen Harndrangs
Nächtlicher Harndrang ist zudem oftmals eine Begleiterscheinung der Blasenentzündung. Ganz typisch: Gibt der Betroffene dem Harndrang in diesem Fall nach, kommen nur wenige Tropfen oder ganz geringe Mengen Urin aus der Blase. Die Blasenentzündung ist außerdem meist mit brennenden Schmerzen verbunden und stört das allgemeine Befinden sehr.
In schweren Fällen wird eine Blasenentzündung mit einem Antibiotikum behandelt, in leichteren Fällen reichen zum Teil aber auch pflanzliche Arzneimittel aus.
Lesen Sie hier weiter über Blasenentzündung.
Diabetes mellitus
Auch die Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus) kann den nächtlichen Harndrang hervorrufen. Zu hohe Blutzuckerwerte schädigen nämlich auf Dauer die Nervenbahnen im Körper und damit auch die Nerven, die die Blasenfunktion steuern. In den meisten Fällen sind aber durch den hohen Blutzucker auch noch andere Nervenbahnen im Körper geschädigt.
Bei Einnahme entsprechender Medikamente gegen nächtlichen Harndrang, muss das Medikament an den Blutzuckerspiegel angepasst werden!
Vergrößerte Prostata
Bei Männern kommt eine weitere Ursache als Auslöser hinzu. Eine vergrößerte Prostata kann nämlich die Harnröhre so verengen, dass es zu Schwierigkeiten beim Wasserlassen kommt. Die Folge: In der Harnblase verbleibt beim Toilettengang eine mehr oder weniger große Menge Resturin, so dass sie schon nach kurzer Zeit wieder so gefüllt ist, dass ein erneuter Gang zum „stillen Örtchen“ erforderlich wird.
Überaktivität der Blase
Hauptsächlich bei Frauen kann eine überaktive Blase die Ursache einer Nykturie sein. In diesem Fall ist der Harndrang aber auch tagsüber ungewöhnlich häufig. Neben einer Überaktivität kommt auch eine Fehlsteuerung des Blasenmuskels als Auslöser in Betracht.
Bei einer überaktiven Blase hilft in der Regel ein konsequentes Blasentraining unter fachlicher Anleitung. Als Grundlage dient hier oft ein Tagebuch, in dem der Betroffene alle Toilettenbesuche Tag und Nacht vermerkt. Im nächsten Schritt wird dann versucht, den immer wieder aufkommenden Harndrang effektiv zu unterdrücken. Mit einem solchen Training gewöhnt sich die Blase mit der Zeit wieder an größere Mengen, so dass auch der Harndrang automatisch später einsetzt. Die Zeit zwischen zwei Toilettengängen verlängert sich nach und nach, meist tritt innerhalb von zwei bis drei Monaten eine deutliche Besserung des nächtlichen Harndrangs ein.
Reduzierte Blasenkapazität
Eher selten ist eine reduzierte Blasenkapazität die Ursache einer Nykturie. Dies kann bei Blasensteinen oder einem Blasentumor der Fall sein: Die Blase hat dann ein deutlich geringeres Fassungsvermögen, so dass der Betroffene tagsüber und nachts häufig die Toilette aufsuchen muss.
Bei einer reduzierten Blasenkapazität hilft in der Regel ein konsequentes Blasentraining. Als Erstes werden in einem Protokoll alle Toilettenbesuche dokumentiert. Auf Grundlage dieser Daten wird dann versucht, den immer wieder aufkommenden Harndrang effektiv zu unterdrücken. Der Harndrang sollte nach und nach später einsetzen als zuvor, da man durch diese Methode die Blase an größere Mengen gewöhnt.
Hormonstörung
In wenigen Fällen ist ein Mangel des Hormons ADH (Antidiuretisches Hormon) die Ursache einer Nykturie. Dieses Hormon sorgt normalerweise in der Nacht dafür, dass eine geringere Menge Urin gebildet wird. Schüttet der Körper nicht ausreichend ADH aus, kann dies zu einer ungewöhnlich hohen Urinproduktion im Schlaf führen. Von dieser Hormonstörung sind oft Menschen betroffen, die im Wechselschichtdienst arbeiten und keinen festen Schlafrhythmus haben.
Gestörte Nierenfunktion
Bei anhaltendem nächtlichen Harndrang sollte ein Arzt ihre Nierenfunktion untersuchen. Sind nämlich die winzig kleinen Blutfilter der Niere geschädigt, kommt es im Urin unter Umständen zu einer deutlichen Anreicherung des Proteins Albumin. Albumin bindet Wasser, so dass auch wesentlich mehr Urin ausgeschieden wird.
Erhöhte Urinproduktion (Polyurie) durch Herzschwäche (Herzinsuffizienz)
Nykturie kann durch eine zu hohe Urinproduktion (Polyurie) hervorgerufen werden, die wiederum in einigen Fällen auf eine Herzschwäche (Herzinsuffizienz) hindeutet. Der Grund: Durch eine mangelnde Pumpfunktion des Herzens lagert der Körper tagsüber eine größere Menge Wasser in den Beinen ein, das erst nachts beziehungsweise im Liegen wieder ausgeschwemmt wird und auf diese Weise zu vermehrtem Harndrang führt. Hinzu kommen aber noch weitere Symptome wie allgemeine Leistungsschwäche und Atemnot.
Ist der Auslöser der Nykturie eine Herzschwäche, sorgt die gezielte Verabreichung von Medikamenten für Abhilfe.
Nächtlicher Harndrang – Risikofaktoren und Folgen
Die Folgen des nächtlichen Harndrangs können auf Dauer schwerwiegend sein. Die andauernden Schlafunterbrechungen führen langfristig zu Tagesmüdigkeit, Konzentrationsschwäche, Kopfschmerzen und einer Verminderung der geistigen Leistung. Manchmal sind sogar Depressionen die Folge.
Forscher stellten zudem fest, dass eine Nykturie mitsamt den erwähnten Folgeerscheinungen die Produktivität bei der Arbeit um bis zu 25 Prozent senken kann. Für herzkranke Patienten wird bei einer gleichzeitigen Nykturie sogar von einem etwas erhöhten Sterblichkeitsrisiko ausgegangen. Angesichts der oftmals schwerwiegenden ursächlichen Erkrankungen, der möglichen Komplikationen und des massiven Leidensdrucks der Betroffenen ist eine gründliche medizinische Abklärung bei nächtlichem Harndrang sehr wichtig.
Beispiel eines typischen Erfahrungsberichtes bei Nykturie
Normalerweise hat Herr Lingen einen guten Schlaf. Er wacht nicht bei jedem Geräusch auf und fühlt sich morgens ausgeschlafen. Seit seinem fünfzigsten Geburtstag jedoch muss er immer häufiger nachts zur Toilette. Erst war es nur einmal in der Nacht. Damit konnte Herr Lingen noch gut leben und ist nach seinem Toilettengang schnell wieder eingeschlafen. Nach ca. 3 Jahren jedoch kommt es immer häufiger vor, dass er mehrmals in der Nacht zur Toilette muss. Seine Frau meint, er solle es sich einfach wieder abgewöhnen und nicht bei jedem Ziepen gleich auf die Toilette gehen. Herr Lingen versucht dies auf Anraten seiner Frau, jedoch schmerzt ihn bald das nächtliche Einhalten. Sein Schlaf wird immer unruhiger. Schon beim Zubettgehen hat er Angst, wieder die Nachtruhe seiner Frau zu stören. Auch er schläft immer schlechter und hat einen immer stärkeren Harndrang. Er geht bis zu vier Mal pro Nacht zur Toilette, bis er seinen Hausarzt aufsucht. Dieser veranlasst sofort ein großes Blutbild und misst Herrn Lingens Blutzuckerwerte. Dabei kommt heraus, dass er einen zu hohen Blutzuckerwert hat. Der Arzt wird sofort tätig und verschreibt Herrn Lingen ein Medikament. Nach einigen Wochen stellt sich eine Besserung des nächtlichen Harndrangs ein und Herr Lingen kann wieder besser schlafen. Sein versteckter Diabetes hatte den Harndrang ausgelöst. Mit der medikamentösen Behandlung wurden sofort auch die nächtlichen Toilettengänge seltener.
Fazit Nykturie
Nykturie, der nächtliche Harndrang, kann ein belastendes Symptom sein, das den Schlaf stört und die Lebensqualität beeinträchtigen kann. Es gibt eine Vielzahl von Ursachen für Nykturie, die von natürlichen Alterungsprozessen bis zu unentdeckten Grunderkrankungen reichen können. Eine gründliche Untersuchung und Diagnosestellung sind entscheidend, um die zugrunde liegende Ursache zu identifizieren und entsprechende Behandlungsansätze zu entwickeln. In einigen Fällen kann Nykturie durch Veränderungen im Lebensstil und Verhaltensanpassungen behandelt werden, wie z. B. die Begrenzung der Flüssigkeitsaufnahme vor dem Schlafengehen, die Vermeidung von Koffein und Alkohol und die Verbesserung der Schlafhygiene. In anderen Fällen können medizinische Interventionen erforderlich sein, um die zugrunde liegende Erkrankung oder Störung zu behandeln, die zur Nykturie beiträgt. Es ist wichtig, einen qualifizierten Arzt aufzusuchen, um eine genaue Diagnose zu erhalten und einen individuellen Behandlungsplan zu erstellen. Durch eine angemessene Behandlung kann Nykturie wirksam kontrolliert und die Schlafqualität sowie die Lebensqualität verbessert werden. Es ist wichtig, darüber zu sprechen und das Bewusstsein für dieses Thema zu schärfen, um Betroffenen zu helfen, angemessene Unterstützung und Behandlung zu erhalten. Insgesamt ist die Bewältigung von Nykturie ein individueller Prozess, der eine ganzheitliche Herangehensweise erfordert. Durch die Identifizierung der zugrunde liegenden Ursachen und die Umsetzung geeigneter Behandlungsstrategien kann nächtlicher Harndrang erfolgreich bewältigt werden, um eine bessere Schlafqualität und Lebensqualität zu erreichen.
Zuletzt geändert:
Quellen
https://patients.uroweb.org/de/wp-content/uploads/sites/2/2019/03/PI_Nocturia_DE_-7-March-2019.pdf
Heppner, H.J. Was ist bei Nykturie zu tun?. MMW – Fortschritte der Medizin 162, 22–24 (2020). https://doi.org/10.1007/s15006-020-0141-4